Samstag, 28. November 2015

Abwarten und Tee trinken

Krank zu sein, bedeutet in erster Linie auch immer wieder Geduld ausüben zu müssen. Man wartet...

- auf die Diagnose
- auf den Beginn der Chemotherapie
- im Krankenhaus auf die Entlassung
- auf Entlassungsberichte im Krankenhaus
- auf den nächsten Chemo-Zyklus
- auf Laborergebnisse
- auf den einsetzenden Haarverlust
- auf den einsetzenden Haarwuchs
- auf den ersten Friseurtermin
- darauf, dass die Infusion schnell durchläuft
- auf den Fahrdienst vom DRK
- auf das Einsetzen der Nebenwirkungen....Kotzen, Verstopfungen (Ich denke, ich muss hier nicht ins   Detail gehen)
- auf das Ende der Nebenwirkungen
- auf das Ende der Chemotherapie
- auf die Bestrahlung
- auf das Ende der Bestrahlung
- auf die Reha
- auf das Ende der Reha
- auf die erste Nachsorgeuntersuchung
- auf die Auswertung der Befundergebnisse
- auf alle weiteren Nachsorgeuntersuchungen + Befundergebnisse
- auf die vollständige Heilung
...und...hauptsächlich in Wartezimmern :-)

Derzeit warte ich auf eine Rückmeldung der Rentenversicherung bezüglich meines Widerspruchs. Die nächste onkologische Reha ist nämlich sehr bedeutend für mich, da ich gemeinsam mit den Ärzten meine berufliche Perspektive besprechen werde. Allerdings dauert das Prozedere länger als mir lieb ist. Also übe ich mich weiterhin in der Disziplin "Geduld". Aber glaubt mir- es fällt mir wirklich alles andere als leicht. "Abwarten und Tee trinken", klingt entspannter als es tatsächlich ist. Vielleicht probiere ich demnächst mal Glühwein anstelle von Tee?! MÄÄÄH-HICKS!! Na, zum Glück beginnt morgen der Advent (lateinisch: adventus -"Ankunft"). Vielleicht kommt dann mein langersehnter Reha-Bescheid bei mir an und ich darf nach so langer Zeit dann auch endlich einmal ankommen :-)


 Ich wünsche euch auch allen ein wundervolles Ankommen- bei euch selbst, bei euren Lieben und immer sicher.... wieder zu Hause... nach dem Glühweintrinken!

Habt morgen einen schönen 1.Advent :) 




Dienstag, 24. November 2015

Es war einmal vor dem Krebs...

Nun ist beinahe das erste Jahr vergangen an dem ich ohne Mr.Hodgkin lebe. Gestern Abend träumte ich so vor mich hin und ich stellte mir die Frage wie war es vor IHM, vor dem Krebs. Wer war ich da? Was wollte ich vom Leben? Was ist jetzt anders? Was mache ich mit und aus meinem "neuen" Leben? Derzeit lebe ich nur von einer Krebsnachsorge zur anderen und hoffe zwischendrin, dass keine neuen Diagnosen hinzukommen. Was mir ja auch mehr oder weniger ganz gut gelingt. Sollte ich dann nicht einfach glücklich sein, dass ich jetzt krebsfrei bin? Dankbar für dieses Geschenk? Ich gebe zu- die Theorie ist auch in diesem Falle einfacher als die Praxis.Wie macht man das denn genau mit der Dankbarkeit? Gibt es dafür ein Handbuch? Und wie erkläre ich das meinen Zellen, die noch immer mit der Regeneration beschäftigt sind? Ich befinde mich in einem Konflikt zwischen mir und meiner Umwelt, die diverse Erwartungen an mich heran trägt und denen ich größtenteils nicht gerecht werde. Ich habe Probleme mich einzuordnen. Derzeit vereine ich alle Widersprüche. Einerseits bin ich jung und habe Erfahrungen gesammelt, die manche nicht in 99Jahren sammeln (Gott sei Dank-ich wünsche es keinem), ergo-ich besitze auf einer Seite enorme Stärke, fühle mich allerdings auf der anderen Seite wie ein zerbrechliches Pflänzchen. Jede Überanstrengung wirft mich wieder zu Boden und ich benötige enorme Kraft um mich dann wieder aufzurichten.
 Auf die Frage wie es mir geht,weiß ich momentan auch nicht wirklich zu antworten. Ist auch eigentlich nichts Schlimmes, aber ich würde gerne mal wieder sagen, dass es mir gut geht und dass es dann auch wirklich so ist.
Manchmal glaube ich, dass ich mich in diesem schwarzen Dunst verliere und dieser Nebel einfach die Jule verschwinden lässt, die sie mal vor dem Mr.Hodgkin-Befall war, aber dann wird mir wieder klar, sobald ein Lichtstrahl es geschafft hat durch die Dunkelheit zu dringen- die alte Jule gibt es noch, aber die muss manchmal so stark sein, dass es mir nicht leicht fällt zu glauben, dass ICH selbst diejenige bin, die es immer wieder schafft den Lichtstrahl einzufangen. Dass ich noch die Jule bin, die es vor dem Krebs schon gab, nur ohne Masken, die bisher den Anschein erweckten, dass"immer alles gut" ist. Das macht mich verletzbarer, aber das bin ICH nun mal- mit Ecken und Kanten.







Samstag, 14. November 2015

Ich wünsche mir eine Welt

....die nicht durch eine schwarz-weiße Brille betrachtet wird
....die man schätzt aufgrund ihrer Vielfalt
....die erst durch die Ecken und Kanten ihrer Bewohner zu einer runden 
    Sache wird
....die sich dreht, aber nicht im Tempo der heutigen Zeit
....die von einem Kollektiv gestaltet wird, anstelle von Gegnern
....auf der die Religionen sich achten, anstatt sich zu bekriegen
....auf der ein Menschenleben unbezahlbar bleibt
....auf der man arbeitet um zu leben und nicht lebt um zu arbeiten
....auf der ich tanzen darf ohne vorher zu trinken 
....auf der die Starken die Schwachen stützen.

Ich wünsche mir eine Welt, auf der die Liebe über allem steht.

#prayforparis



Samstag, 7. November 2015

Die Wolle beim Schaf lassen

Ich beantragte vor einigen Wochen eine zweite onkologische Reha. Auf die Wunschliste setzte ich die Katharinenhöhe im Schwarzwald, eine Klinik für Kinder, Jugendliche & junge Erwachsene mit Krebs. Mir war es diesmal seeeeeeeeehr wichtig mit Leuten meiner Altersgruppe zu rehabilitieren :) Ich fühle mich schon oft genug wie ein Rentner, da muss ich ja nicht auch noch das Gefühl vermittelt bekommen, leistungsmäßig auf der selben Stufe wie Oma Gerda zu stehen. Außerdem fehlte mir dann der Austausch mit Gleichaltrigen, die ähnliche Lebensumstände haben wie ich. Da sind Fragen wie: ,,Ich bin erst 22 und muss noch ein paar Jährchen arbeiten. Ich fühle mich aber so als hätte ich schon 50 Jahre geschuftet. Wie kommt ihr damit klar?" oder ,,Seid ihr noch fruchtbar oder hat die Chemo bei euch alles abgetötet?".

Voller Erwartungen öffnete ich heute den Briefumschlag mit dem Absender "Deutsche Rentenversicherung"..... Aaaand Julä goes to the fucking....Bad Homburg!! Ich dachte zunächst - mh, Bad Homburg ist nicht die Katharinenhöhe, aber vielleicht eine ähnliche Einrichtung. Also befragte ich Google, aber Google bestätigte mir meine schlimmsten Befürchtungen. Auf der Kopfzeile der Homepage wurde ein mit Fotoshop bearbeiteter Neubaublock eingeblendet. Danach folgte eine Auflistung der Diagnosen, die im Klinikum behandelt werden...angefangen beim Brustkrebs über Leukämien bis hin zu Lymphomen, sowie psychosomatischen Erkrankungen. Ich fragte mich nicht bloß wo genau sich Bad Homburg auf dem Atlas befindet, sondern scheiterte auch daran die innere Ruhe zu bewahren, während ich mir das Therapieangebot zu Gemüte führte:

Physikalische Therapie, Rückenschule, Hallen-Bewegungsbad, Ergometrie, Krankengymnastik, Einzelbehandlung, Extension, (!!!)Elektrostimmul. Verfahren bei Inkontinenz(!!!), Chemotherapie, Stoma- Therapie, Ergotherapie, Kunsttherapie, Diabetiker-Schulung, Gesundheitstraining, Lymphdrainage, Psychologische Diagnostik und Therapie (Entspannungsverfahren), Ernährungsberatung, Lehrküche, Reha-Beratung

Und der Knüller kommt noch. In der Klinikbewertung machte eine Patientin darauf aufmerksam, dass einem dort nicht einmal WLAN zur Verfügung steht!
Die sollen mal die Wolle beim Schaf lassen und überlegen wo da die Sinnhaftigkeit dahinter steckt. Ich soll wieder arbeitsfähig werden und da schlagen die mir ein 0815-Angebot vor. Nicht mit mir! Ich lege Widerspruch ein!