Samstag, 1. August 2015

Auf keinen Fall pflegeleicht

Diese Woche hat mal wieder bewiesen, dass alles ganz schnell vorbei sein kann. Mein Kardiologe diagnostizierte bei mir ein "hyperkinetisches Herzsyndrom" (das Gott sei Dank reversibel ist!!)...aber mittels Ultraschall wurde außerdem noch erkannt, dass die Bestrahlung mein Herzgewebe beschädigt hat. Es ist nun für immer und ewig vernarbt- mein gerade mal 22 Jahre altes Herz. "Erstmal ruhig bleiben", hab ich mir gesagt, aber ich beherrsche die Theorie oft besser als die Praxis. Deshalb habe ich mich ganz auf Jul'sche Art da erstmal kräftig hineingesteigert. Oh ja, darin bin ich wirklich gut! Ich habe meine Gewebsvernarbung ausgiebig betrauert.
Die Höllentherapie ist gerade mal ein Jahr her. Mir wurde noch einmal deutlich vor Augen geführt, dass durch meine Venen kein Rosenwasser floss und die Strahlentherapie auch kein Besuch auf der Sonnenbank war. Die Auswirkungen von Gammastrahlen und Giftinfusionen, bekomme ich nun wieder ganz deutlich zu spüren. Mein Körper ist immer noch ein riesiges Schlachtfeld. In meinen Zellen findet ein Kampf statt, in dem es wahrlich um Leben und Tod geht. Beschädigte Zellen wehren sich, wollen sich erneuern. Andere Zellen wiederum halten den Einflüssen der Toxine nicht stand und schrumpeln ergiebig zusammen, vernarben oder werden abgebaut. Frei nach dem Motto: "Nur die Harten kommen in den Garten", wird tagtäglich neu aussortiert. So wie ich derzeit mental klar Schiff mache, wird auch auf Körperebene ordentlich umstrukturiert.
Ein positiver Nacheffekt solcher Hiobsbotschaften, ist das wohlig warme Gefühl, das ich in meiner Magengegend spüre, wenn mir klar wird, die Lebenszeit ist begrenzt, aber die Zeit, die ich habe, ist verdammt nochmal zum Genießen da. In Abständen brauche ich solch einen liebevollen Arschtritt.  Zu erkennen, dass in jedem Tag eine neue Chance liegt, pusht mich ungemein. Ich möchte gar nicht mehr anders leben. Ich brauche den Tod im Nacken, sonst fehlt mir die Spannung. Ich liebe all diese qualvollen Momente, in denen ich bis an meine Grenzen getrieben werde. Ich liebe das friedvolle Gefühl, das nach einem Seelengewitter in mir einzieht. Freude und Glück kann man nur in dieser Intensität empfinden, wenn man auch die bitteren Gefühle in sein Leben zu integrieren weiß. Wäre ich ein Haufen Wäsche, wäre mein Waschprogramm auf keinen Fall "pflegeleicht". Doch von diesem Leben im Chaos aus Emotionen, möchte ich nicht eine Sekunde missen. All das gehört zu mir, ist Teil meiner Persönlichkeit und darf so sein. Genauso hab ich mich gern!

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